Mondnacht
Im tiefen Grunde ruht traumlos die Nacht,
Kein Lüftchen lebendig, kein Hauch mehr wacht,
Kein Blatt, kein Laub das niederfällt
Im ganzen weiten Schlafsaal der Welt.
Da tönt durch die Stille Trompetenklang,
Eine kurze Fanfare, minutenlang,
Das Lichterlöschen der nahen Kaserne:
Die schlafen nun auch & schlafen wohl gerne.
Mir ist, ich säss auf dem Meeresgrund,
Der weithin dämmert, ein heimlichs Rund.
Nah über mir auf den wolkigen Wellen
Seh ich das Mondschiff im Sturme zerschellen.
Nein, sieh! es hält sich. Mit vollen Segeln
Scheint es zu treiben nach Seemannsregeln,
Und fährt nun im blitzenden Silberschein
Ins Licht, in den blendenden Tag hinein.
Du kühner Segler auf Wolkenrevieren,
Oh, könnt’ ich als Bootsmann dein Steuer regieren,
Vielleicht dass wir heut’ an des Himmels Enden
Den Weg zu der goldenen Wahrheit fänden!
Nun ist es entschwunden; der Grund ruht dunkel,
Im Walde hebt sich ein Höllengemunkel,
Die Geisterstunde spukt zögernd herbei.
Die Wahrheit entflieht und der Wahnsinn wird frei.
(aus der Zeit der frühen Gedichte, 1895−1904)