Dem Lichte nach
 
Ich stand auf hohem Berg am frühen Morgen,
Vor mir lag noch die Welt in tiefer Ruh;
Aus hellem Osten winkt mir freundlich zu
Ein rotes Wölklein seinen Morgengruss.
Der Morgenwind kühlt’ mir mit seinem Kuss
Die heisse Stirn; ich war voll tiefer Sorgen.
 
Da blitzte plötzlich über fernen Höh’n
Der erste Sonnenstrahl am Himmel auf,
Die Sonne kam hervor zum Siegeslauf
Und drang mit ihrem Licht mir in das Herz,
Vergessen waren Sorgen, Angst und Schmerz
Und jauchzend konnt’ ich ihr ins Auge sehen.
 
Und jubelnd schwang mein Lied sich jetzt empor
Und rief im Tal das laute Echo wach:
„Bring neue Sorgen, neuer Tag, hervor:
Frisch auf! Frisch auf! dem Lichte nach!“
 
(1899)